Friseurminuten
Kurzgeschichte von Droka

Er saß da auf dem niedrigen Drehstuhl, hatte die Hände bequem und gleichwohl erhaben auf den Armlehnen ruhen und doch wie die Hälfte seines Körpers vom Kragen abwärts unter einem lila Cape versteckt. Wahrscheinlich, dachte er, gab es eine Firma, die nur solche skurrilen "Mäntel" eigens für die Friseur-Branche herstellte. Sein Haupthaar wurde schon einige Zeit von einer furchigen roten Friseuse mit Schere und Kamm bearbeitet. Er beobachtete im Spiegel unaufhörlich unauffällig, wie diese kaugummikauende Matrone immer wieder ein Haarteil zwischen Zeige- und Mittelfinger der Linken schob und, mit der Schere in der Rechten, es oberhalb jener abschnitt. Er kam ihr dabei entgegen, indem er den Kopf langsam hin und her wog, je nach dem auf welche Seite sie sich gerade konzentrieren wollte. Sie wirkte beinahe respekteinflößend mit ihren stark blau-schwarz bemalten Augen, den knallroten Lippen und ihrer "Uniform", die aus einem zu großen metallisch-blauen Kittel und einer vom Alter gekennzeichneten blassblauen Jeans bestand. Aber eben nur beinahe - hm, eine kalte Erscheinung. Er sah mit an, wie Haarbüschel um Haarbüschel von seinem Kopf fiel und bekam, wie jedes Mal in dieser Situation, Angst vor dem Ergebnis. Intervenieren brächte jetzt allein schon aus ästhetischen Gründen nichts mehr. Wie immer, wenn seine Haare so lang gewachsen waren, dass er aussah wie eine Mischung aus den Beatles und einem Pudel, mit anderen Worten man konnte nichts mehr mit ihnen anfangen, und wie immer, wenn ihm von seinen Eltern versichert worden war, dass seine Frisur sooo schön wäre, machte er sich auf den Weg zu seinem "Stamm-Friseur". Und wie immer war so wenig los, dass er recht bald auf den Drehstuhl gebeten wurde, diesmal von dieser roten Matrone. Es war nahezu jedesmal jemand anderer, der ihm den Zottelkopf schneiden durfte. Und wie auch bei ihren Vorgängern antwortete er auf die vom Personal eingeübte Frage: "Wie wolln S' die Haare gschnittn hamn?", die sich manchmal mit einem "Wie schneid mers denn?" abwechselte, mit der von ihm eingeübten Antwort: "Hinten und vorne etwa ..., die Seiten nur ... kürzer, bitte!", und sogleich begann die Behandlung. Auch diese Friseuse war ansonsten schweigsam geblieben, wenn man von dem leisen, aber steten Geräusch absah, das sie beim unaufhaltsamen Wiederkäuen von sich gab. Er konnte überhaupt nicht verstehen, dass sich einer seiner Freunde, eigenen Aussagen zufolge, mit seinem Friseur über Dies und Jenes unterhielt. Dieser Typ war wohl entweder unterbeschäftigt, oder kommunikativ; Er tippte auf das Zweite. Der Blick in den Spiegel, das stark gekürzte Haar also, ließ ihn bewegungslos aufschrecken. War es nicht doch zu kurz geworden? Er vergaß immerzu, wie er nach jedem Friseurbesuch ausgesehen hatte. Gott sei Dank hatte die rote Matrone mit dem Schneiden aufgehört. Sie ging einen halben Schritt zurück und begutachtete ihr Werk. Wollte sie ihm ihren Kaugummi in den Nacken spucken, immerhin sah es für ihn durch den sich plötzlich zuspitzenden Mund so aus und er wollte sich schon vorbeugen, als sie mit rauher Stimme sagte: "Wolln Sie 's sehen?".  Er bejahte und betrachtete sein Nackenhaar im Handspiegel, den sie hinter ihm hielt. "Vielleicht doch noch ein wenig?!", sagte er schließlich.


Copyright © 2005 Droka

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