Geliebter
Wunderbar sonnendurchflutete Landschaft, Schnee auf den Bergen, aber
die Straße vom Schnee befreit. Gefühle wie Milch und Honig
durchströmten mich und ließen mich die lange Anfahrtszeit
auf mein heiß begehrtes Ziel fast vollkommen vergessen. Die
Vorfreude zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, sodass ich leicht
dümmlich auf andere wirken musste. Aber dies Lächeln
ließ sich nicht abstellen. Zu lange hatte ich mich bereits auf
das Ziel meiner Begierde gefreut.
Endlich angekommen. Das Auto in der Garage entsorgt. Die Koffer aufs
Zimmer gebracht und notwendige Formalitäten lustlos erledigt.
Ungeduld machte sich in mir breit. Dann endlich, der erste Spaziergang.
Bekannte treffen, erfahren, ob sie bereits bei ihm waren.
Nein, heuer hatte es noch nicht geklappt. Heuer war noch keiner bei
ihm.
Aber ich spürte auch bei Ihnen die Begeisterung für ihn und
die Hoffnung als erste bei ihm sein zu können. Das war nun
wunderbar und beunruhigend zugleich. Er hatte sich die anderen noch auf
Abstand halten können. Als wenn er auf mich gewartet hätte.
Wundervoll, meine Gedanken begannen zu kreisen.
Jetzt hatte es auch noch zu schneien angefangen. In dicken Flocken
sanken die watteweichen Schneekristalle aus dem bereits nachtschwarzen
Himmel zum festgefrorenen, unter meinen Füßen knirschenden,
mit harschem Schnee bedeckten Boden. Einige dieser riesigen,
puffreisartigen, eiskalten Gebilde landeten watteweich auf meinem
Gesicht, um sich dort schmelzend zu verflüssigen. Mit schnellem
Schritt entfloh ich den immer stärker werdenden
Naturgewalten. Die Wärme meines Zimmers umfing mich und sanftes
Wohlbehagen durchströmte meinen ausgekühlten Körper.
Die Sonne kriecht hinter den Bergen hervor. Wohliges
Erwartungsgefühl lässt mich erschauern. Heute werde ich zu
ihm fahren. Werde ihn endlich wiedersehen. Wird er mich erwarten? Ist
er so, wie ich ihn in Erinnerung habe? Werde ich seine unberührte
Unschuld wieder erobern können? Oder wird er bereits anderen seine
weißen, unbefleckten Lenden zur Verfügung gestellt haben?
Trotz aller Ungeduld jetzt erst einmal frühstücken gehen.
Niemandem die zittrige Ungeduld anmerken lassen. Mit aller Macht
vermeiden, dass ich ob meiner Ungeduld ausgelacht oder mitleidig
belächelt werde. Sie haben es ja gut, bei ihnen ist er
ständig. Sie können ihn jederzeit wieder besuchen. Aber
diesmal scheint es, als wenn er auf mich gewartet hätte.
Dann endlich, die Skier angeschnallt, zum Lift geeilt. Er ist offen,
offen für alle, wird einem gesagt. Mist, war man zu langsam? Wie
wird er aussehen? Wie ist er gestaltet? Haben ihn bereits andere in
seiner Unschuld erreicht? Seine weichen, weißen Lenden entweiht?
Oder hat er auf mich gewartet? Hat er sich seine Unschuld bewahrt?
Fiebrige Erwartung ergreift jede Faser meines Körpers. Was, wenn
er sich wieder verschlossen hat? Was, wenn er mich nicht an sich heran
lässt? Nicht genügend vorbereitet ist? Nein, jetzt nur keine
Zweifel aufkommen lassen.
Die Gondelfahrt ist zu Ende. Weiter geht’s auf sonnendurchfluteten,
ebenmäßig von den Schneeraupen gewalzten, wunderbar
präparierten Pisten. Lauter fröhliche Gesichter kommen mir in
teils halsbrecherischer Fahrt rasant entgegen. Ich mag es eher
beschaulich. Zumal die Muskeln meiner Füße durch die
ungewohnte Beanspruchung in Streikposition verfallen. Wadenkrämpfe
kündigen sich an. Also erst mal stehen bleiben, rasten. In mir
keimt Ungeduld auf. Da habe ich so lange auf ihn gewartet und nun will
mir mein Körper einen Streich spielen. Hält mich zurück,
derweilen seine Unschuld immer mehr in Gefahr gerät. Verzweiflung
will aufkeimen. Eine schnelle Massage bringt Linderung. Derweilen,
schnelle, gute Fahrer an mir vorüberziehen, die meisten auf dem
Weg zu ihm. Auch sie haben seiner bereits seit Tagen geharrt und nun
will natürlich jeder als Erster bei ihm sein.
Weiter geht’s. Nun, auch die Strecke zu ihm ist sehr schön. Eine
tolle Skiautobahn. Breit, wunderbar gewalzt und hochherrschaftlich zu
befahren. Aber dies steigert mein Verlangen nach ihm erst recht ins
Unermessliche. Mich züngelt es nach seiner unbeherrschten,
mühsam gebändigten Art. So zivilisiert und doch so wild,
animalisch, eigenständig. Der Gedanke treibt mich voran. Dann
endlich geht es rauf zu ihm. Eine letzte Sesselbahn. Die Fahrt zieht
sich. Aber ich beginne bereits die Erwartung zu genießen.
Schließe die Augen und spür, wie die Sonne meine Wangen
streichelt, mich in der Nase kitzelt und der Wind meine glühenden
Wangen sanft berührt. Bald... bald... bald, bin ich bei dir,
geliebter, gehasster, herausfordernder, mich immer wieder erschauern
lassender, unberechenbarer Geliebter. Bald habe ich dich erreicht. Kann
dann an deinen Lenden hinunter, in dein Tal eintauchen und in wilder
Ekstase zum langsam ausgleitenden Ende kommen. Zum Ende, das ich fast
alleine angehe, da die Anderen eher deiner wilden Seite folgen. Dagegen
ich mich immer und immer wieder deiner sanften Seite zuwende.
Zärtlichkeit überflutet mich, wenn ich an deine sanfte Seite
denke, die nur hin und wieder von deiner Eigenwilligkeit unterbrochen
wird.
Dann, endgültig wieder angekommen an dem Ort, wo meine Sehnsucht
nach Dir angefangen hat. Angelehnt an die Holzwand der Hütte, die
eigentlich ein Restaurant ist. Die Sonne im Gesicht, den Kaffe vor mir,
heiß, stark und aromatisch, zittere ich noch in Erregung des eben
Erlebten. Leider hast Du Deine Jungfräulichkeit nicht bis zu
meinem Eintreffen erhalten können. Leider waren Deine Lenden von
den Anderen bereits zerpflückt und zerfurcht. Aber dadurch hast Du
mich auch wieder mit Deiner Wildheit empfangen, unberechenbar, wie Du
eben nun einmal bist.
Zärtlich, mit dem Gefühl, dass ich wieder bei Dir, dass ich
wieder mit Dir, auf Dir gewesen sein konnte, denke ich in Liebe an
Dich... mein geliebter Madloch-Abhang. Wild, zerpflückt... und
doch
so einladend ...
morgen werde ich dich wieder aufsuchen ...
Copyright © 2007 Skulgerdat Jera
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