Drei Balladen vom Sterben oder
Wie ich sterben möchte



An einem perlenklaren See,
von dichtem Wald umgeben,
steh ich in Nacktheit auf dem Strand,
wie oft in meinem Leben.

Es schwillt das Wasser, neben mir
taucht auf Adonis mit dem Bart.
Die Arme streckt er aus nach mir:
Komm mach mit mir die letzte Fahrt.

Seine Liebkosungen sind schön
und Lippen zärtlich an dem Ohr.
Er küsst die Brust, will mit ihm gehn.
Und Stimmen klangvoll uns im Chor
harmone Weisen singen.

Über uns Wasserfluten
sich in Ringe werfend winden.
Hinab zum Grund wir schlängelnd ziehn,
sogleich die Sinne schwinden.





Die Reise nach Italien bringt
den Weg zum Alpengipfel
und in die Runde blicke ich
auf schneebedeckte Berge
und dunkle Tannenwipfel.

Ein Steinadler kreist still umher
in klarer kalter Luft.
Schaue ihn an, sein klares Aug
mich fortan zu ihm ruft.

Mit großer Kraft schwingt er zu mir,
nimmt mich auf seinen Rücken.
Er steigt mit mir und steigt und steigt.
Ich packe an sein Federkleid,
doch will ihn nicht erdrücken.

Verzaubert sehe ich das Land
in voller Pracht entfleuchen.
Noch nie zuvor sah ich die Welt
voll Schönheit ohnegleichen.

In meinen Ohren singt die Luft.
Wir steigen hoch und höher.
Die Glieder starren steif und schwer.
Der Atem stockt.
Ich lieg in seinem Federkleid.
Die Sinne mir entweichen.





Soweit sogut, ganz nett gedacht.
Es sind nur Träume - selbstgemacht.
Und auch mein ganz einfacher Wunsch
wird schwer zu machen sein,
denn läg ich warm in meinem Bett
und stürbe, wär ich doch allein.

An meiner letzten Liegestatt
solln meine Lieben rings
um mich her sitzen oder stehn.
Mein treuer Sohn sagt leis zu mir:
Trink ein Glas leichten Wein,
es wird das Beste für dich sein.

Und meine Tochter streicht das Bett
und zieht mir Socken an.
Sie weiß genau, daß ich wie sie
mit kaltem Fuß nicht schlafen kann.

Mein Ehemann dort am Fenster
seufzet Ja und seufzet Nein,
wenn ich doch lieber würde
zuerst gestorben sein.

Der große Björn versteckt sich halt
hinter der Mutter Rücken,
verschluckt die Tränen hilfelos,
die ihm die Kehle drücken.

Und Lassekind ist auf der Hut,
daß man mit Oma richtig tut:
Cremt Oma ein und kämmt sie dann,
damit sie sauber reisen kann.

Die Schwiegerkinder wollen stehn
dahinten, wollen gar nichts sehn.
Der Wein macht mich noch warm, nicht lange
und schon hält die Mutti mich im Arm.

Ihr voller weicher Mund
mit Küssen mich bedeckt;
was sie nie kunnt mit Tbc,
doch jetzt ist sie perfekt.

Der Vati ruft: Lotteken und Trautchen kommt,
Lasst uns nicht lange warten!
Wir haben heut genug zu tun!
Wir gehn in Eden's Garten.


Sommer 2007


Copyright © 2007 Waltraud Voigt

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