Die Malerin
für Manja
Unruhig steht sie vor der weißen Leinwand. Ihr Blick scheint die
Leinwand zu durchdringen. Von draußen klopft der Regen gegen das
Fenster und der Nordwind
rüttelt am Dach, doch all das nimmt die Malerin nicht wahr. Tief
versunken in vielerlei Gedanken malt sie mit den Augen Bilder in den
schönsten Farben auf die Leinwand. Die Seele ist gespannt was
daraus entstehen wird. Ihre Hände greifen nun ganz ruhig und
gezielt in die Kiste wo
unzählige Farbtuben auf ihren Einsatz warten. Die Pinsel stehen
erwartungsvoll im Glas, welcher von ihnen wird von
der zarten Hand heute ergriffen werden?
Es ist noch gar nicht lange her, da wusste diese Hand gar nicht was
für wunderbare Lebensbilder sie malen kann. Erst als die Seele all
die zugefügten Schmerzen und
Verletzungen nicht mehr ertragen konnte und als aus einem
unbeschwertem Lächeln ein qualvolles Lachen wurde. Als Worte leer
und belanglos wurden. Die Ängste und Unruhe den Alltag bestimmten
und kein Licht mehr am Horizont erscheinen wollte, kam wie durch
einen inneren Zauber das Malen in diese Hand. Geführt von Herz und
Seele, von tiefen Gefühlen und
Schmerz, malte sie drauf los um sich von den dunklen Mächten zu
befreien.
„Sie haben Talent zum Malen. Machen Sie weiter.“ sagte man der Malerin.
Doch tief im Inneren glaubte sie nicht an dieses Talent. Sie malte doch
nur um ihre Seele zu befreien. Es entstanden Bilder voller Traurigkeit,
Einsamkeit und voller Scham. (Sie hinterließen bei dem Betrachter
tiefe Gefühle und eine
unerklärbare Faszination.)
Das Malen befreite die junge Frau Stück für Stück und
doch blieben viel dunkle Flecken auf der Seele. Sie glaubte nicht an
die wahre Faszination ihrer Bilder, bis ganz still und leise ein
kleines Licht am Horizont erschien. Sie konnte es genau sehen. So klein
dieses Licht auch war, hatte es doch eine unsagbare Kraft. Kein Sturm
oder Regen konnte es erlöschen. Standhaft leuchtete es der
Malerin.
Es gab ihr neue Kraft und Lebensmut. Unmerklich eroberte es ihre Seele
und ihr Herz. Sie versuchte es unter Kontrolle zu halten aus Angst es
könnte genauso schnell verlöschen wie die vorherigen. Aber
dieses Licht war stark und ruhig und brachte so viel Wärme und
Helligkeit, dass sie wieder neuen Mut schöpfte. Ihre Bilder wurden
noch besser und fesselten den Betrachter für lange Zeit.
„Was
sollen die Bilder kosten?“ Die Malerin schaute ungläubig auf,
jemand wollte ihre Bilder
kaufen? Eigentlich sind sie unverkäuflich, dachte sie. Und doch
hängen schon einige Bilder nicht mehr in ihrem Haus.
Die Hand der Malerin greift in das Pinselglas, der Rundpinsel ist heute
der erste der ihre Gefühle auf die Leinwand malen darf. Voller
Ruhe und Beschwingtheit, mit einem Glücksgefühl im
Herzen, malt die Malerin ein neues Bild. Tief im Inneren sieht sie
dabei auf das kleine unscheinbare Licht am Horizont ... was ihr immer
wieder neue Kreativität schenkt und unzählige Inspirationen
für neue Lebensbilder gibt. Und nur noch selten können sie
Angst und Unruhe aus dem Gleichgewicht bringen.
Copyright
© 2007 Hedwig Galow
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