Oktober 1991

Säufers Lebenslied

Ich habe einen Seelentrost;
er heißt - ihr wißt schon -: prosit, prost!
Er war so oft mir Samariter,
fand ich mein Dasein mies und bitter.

Was wir die goldne Jugend nennen,
da lernte ich ihn näher kennen.
Zum Trotz der Mahnung, ihn zu meiden,
konnt ich schon bald recht gut ihn leiden.
Den Rat, er sei des Teufels Kind,
schlug ich mit Inbrunst in den Wind.

Seither - so ging es schließlich weiter -
blieb er mein treuester Begleiter.
Bei allem, was mir widerfuhr -
der beste Freund war er mir nur.
Sah mich das Leben frohgemut,
weil halt geschah, was gut uns tut,
gab ich ihm einen Bruderkuß
und trank ein Schlückchen, zum Genuß.
War ich voll Kummer, sorgenschwer,
half mir sein Mitleid wirklich sehr.

Drum find die Meinung ich nicht toll,
daß ich ihn besser lassen soll.
Im Gegenteil, `s ist mein Bestreben:
ich bleib ihm weiter treu ergeben.
Und hat der Tod mich ausgelost,
dann sag ich halt noch schnell mal: "Prost!"

(RW)

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